Lou Reed

Lou Reed München 1977 Photo & © Uwe Möntmann
Lou Reed Munich 1977 Photo & © Uwe Möntmann

 

LOU REED TOUGH SHIT & PORK WITH TABASCO

 

München. Ein Uhr nachts. In einem asiatischen Restaurant in Schwabing sind wir mit Lou Reed verabredet.

Mit am Tisch RICHARD ROBINSON (Produzent), sein deutscher Manager und ein muskulöser, englischer Roadie. 

Am Nebentisch verstreut ein paar Freunde und solche, die sich dafür halten. Man isst „Pork with Tabasco“ und trinkt Bier.

 

RICHARD ROBINSON: Nimmst Du Deine Sonnenbrille beim Essen nicht ab?

LOU REED: Fängst Du jetzt auch damit an!

RICHARD ROBINSON: Mit was?

LOU REED: Mit meiner Brille – wenn ich meine Brille abnehme sind meine Augen fast geschlossen und man denkt,

daß ich stoned bin. Nur – wenn ich wirklich stoned bin, dann sind meine Augen offen und die Leute meine, daß ich

okay bin und sagen zu mir: „Hey Lou – du siehst aber heute toll aus!“ – und überhaupt – ich habe keine Lust über dieses blöde Thema zu quatschen.

KELLNER: Wer bekommt die Nudeln?

LOU REED: Habe ich nicht Reis bestellt?

RICHARD ROBINSON: Du bist nervös!

LOU REED: Wegen meiner Hände? Die zittern immer. Man könnte wirklich meinen, daß ich nervös bin, aber das stimmt nicht . . . ich bin nicht nervös . . . nur meine Hände zittern (hahaha)

(Man fängt an in Ruhe zu essen)

LOU REED: (schreit . . . ) Oooh mein Gott . . . uhh . . . die wollen uns wirklich nicht verarschen. Die Soße ist wirklich sauscharf. . . uhh! Findest Du das nicht deprimierend?

Richard Robinson: Was?

LOU REED: . . .daß Andy elf Meisterwerke in acht Minuten schaffen kann! ihn macht das auch selbst fertig, daß er nur in den nächsten Supermarkt zu gehen braucht, sich diese BRILLO BOXEN kauft, diese in eine Galerie stellt und unheimlich viel Geld dafür verlangt.

Daß die Leute diese BOXEN tatsächlich kaufen, frustriert ihn noch mehr!

Die einzige Sache, worüber freute und fast ausflippte, war die Story mit den kanadischen Zollbeamten, die die BOXEN nicht als Kunst betrachteten und Zoll für die BOXEN Verlangten! (hahaha)

(Ein Typ mit Joint nähert sich dem Tisch . . . er bietet den Joint an)

ROADIE: (laut) . . .Hey . . . hau bloß ab. . . scher dich weg. . .!

MANAGER: (aufgeregt). . . Komm verschwinde . . . laß uns in Ruhe!

LOU REED: (ruhig) Aah! Haben wir das bestellt? (lauter). . . Hey verschwinde...ich will nicht für dein Shit eingelocht werden...ich meine es ernst! ...hau ab . . . wenn man mich verhaftet- dann wegen meinem eigenen Dope . . . und deshalb will ich dich hier nicht am Tisch haben...okay!!

. . . ich mach keinen Scherz!

(Der Typ schaut ruhig Lou Reed an, zeigt keine Reaktion oder will nicht reagieren)

ROADIE: (aufgeregt)...Hey...hörst du schlecht! verdufte . . . !

TYP: (schreit plötzlich Lou Reed an). . . LOUUU bring bloß keine schlechten Vibration hier rein...auf dich haben wir gerade noch gewartet...!

RICHARD ROBINSON: (ruhig...murmelt in sein Essen) ...Vibration!! der soll uns in ruhe lassen mit seinen ‚Vibs’ ... Hauptsache die die Nudeln schmecken. . .!

LOU REED: (hört plötzlich auf zu essen und schreit den Typen an) . . . Tuff shit . . . get that fucking guy out of here. . .Youuuh fucking asshole. . .!

(Der Typ schleicht sich...betretene Stille am Tisch...schweigend wird weiter gegessen)

 

LOU REED: (verkrampft)...wo waren wir stehen geblieben?...ich glaube ich habe mein Manuskript verloren (hahaha)...laß uns wieder normal sein...no problem...noooh problem (hahaha)

ROADIE: (erleichtert)... ich hätt ihm schon das Maul gestopft...(hahaha)

LOU REED: Ich kann’s schon groß in der Zeitung lesen: LOU REED BEI EINER HEISSEN ORGIE VERHAFTET!!!...dabei esse ich hier nur in aller Ruhe meine Nudeln (hahaha)

Der Münchener Graphiker BRUMMBÄR nähert sich mit einem Joint dem Tisch.

BRUMMBÄR: Mag jemand meinen Joint?

LOU REED: (ruhig) ...Pardon!

MANAGER: (aufgeregt)...Oh c’mon...

BRUMMBÄR: (lächelnd)...Mag niemand einen Joint??...ich schwöre Euch – hier wird keiner wegen eines Joint verhaftet...

LOU REED: (ruhig)...Hat jemand meine Gabel gesehen?

MANAGER: (aufgeregt zu Brummbär) ...Komm...steck ihn weg...laß uns in Ruhe!!!

(Brummbär trollt sich)

RICHARD ROBINSON: Mag noch jemand ein Bier?

LOU REED: Nee...n’ doppelten Whisky...aber ohne Eis!

Richard Robinson: Apropos...was ich Dich noch fragen wollte...

LOU REED: Unterbrech mich nicht immer, wenn ich Dich unterbreche...(hahaha)

RICHARD ROBINSON: Hast Du die Fleetwood Mac Show gesehen...?

LOU REED: ja...findest Du nicht auch, dass Stevie Nicks die ‚wirkliche’ Joni Mitchel ist?

(Kellner bringt den Whisky)

MANAGER: Endlich...der Whisky!

LOU REED: (laut zum Kellner)...Mensch tu bloß das Eis raus...da kannste ja nur noch Blumen reinstellen...!

MANAGER: (streng zum Kellner)...Können Sie nicht einen richtigen doppelten Whisky

ohne Alles bringen?

KELLNER: (mit asiatischer Fistelstimme)...Das ist ein doppelter Whisky...probieren Sie mal...probieren Sie mal!

MANAGER: Ich trinke keinen Whisky!

LOU REED: Sieht aus wie German Whisky...wie Johnny Walker ‚red’ und nicht ‚black’...

(hahaha)

(trinkt) ...Jesus Christ...huuuh...das ist ja Wasser!!!

RICHARD ROBINSON: (zum Kellner) Bringen Sie die ganze Flasche, damit wir sehen können was wir trinken.

(Kellner bringt die Flasche)

KELLNER: Schauen Sie...Whisky...Wisky...!

LOU REED: Aaah...das sieht schon besser aus...!Ist das Ginger Ale! (hahaha)

MANAGER: Prost...auf die Liveaufnahme von heute abend und die morgige...!

RICHARD ROBINSON: (beleidigt)...Oooh mein Gott...wer hat denn seine Zigarette in meinem Reis ausgedrückt...Du!!!?

LOU REED: Natürlich (hahaha)

(zum Photographen)...jetzt kannst Du Photos machen...!

 

(22.04.1977 nach dem Konzert - Circus Krone)

 

 

     SOUNDS 1977 - Leserbrief von Wolf Wondratschek zu Lou Reed 

 

Nach dem Konzert

(Lou Reed, München Circus Krone, 22.4.77) 

Oh Lou, Du hast mich enttäuscht.

Du bist ein Dichter, aber nur gegen Dollars.

Schon ein Lächeln löst Verfolgungswahn aus.

Kannst Du New York nicht mehr verlassen,

auch hier nicht?

Auf der Bühne läuft die Show,

Du singst, es gibt Dollars, ein Lächeln sieht man nicht

in der Dunkelheit und im Publikum reisen alle

für zwei Stunden nach New York.

Aber nachher?

Ich saß am Nebentisch, als einer Deiner Fans

für Dich einen Joint rollte, anrauchte und überreichte

an Deinen Tisch.

Was passiert? Du hast Ihn angebrüllt

und den Rest besorgte Dein Gorilla, ein Zwei-Meter Mann

mit Muskeln wie aus einem LKW.

Es gab ’ne Menge Aufregung. Warum eigentlich?

Kann sein, Du bevorzugst extremere Sachen

oder Du hast es hinter Dir. Vielleicht warst

Du auch schon voll und hast ein Attentat befürchtet,

immerhin ist Andy Warhol Dein Freund.

Hast Du New Yorker Bullen gesehen, die Dich schnappen?

Welchen Ruf wolltest Du verteidigen?

Warum noch stundenlang danach Witze über Hippies?

Hat Dich das Konzert so geschlaucht, daß Du die Kontrolle

verloren hast?

Ich sah, es hat Dir spaß gemacht,

die Sache, eine Berühmtheit zu sein

und ein New Yorker, auch wenn einer

daran glauben muß. Was glauben Die Leute?

Das weiß ich nicht, aber Du konntest Dich nicht mehr

beruhigen über diese Kleinigkeit, vielleicht

hast Du aber nur den nächsten Fernsehauftritt

geprobt.